Tag der Arbeit: Lohngleichheit. Punkt. Schluss!
Die Bundesverfassung verlangt klipp und klar, dass Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit gleiche Löhne bezahlt bekommen. Seit 37 Jahren. Und wir wollen nicht 100 Jahre darauf warten wie auf unser Stimmrecht. Und nicht 60 Jahre wie auf die Mutterschaftsversicherung. 37 Jahre sind genug: Wir wollen Lohngleichheit. Punkt. Schluss!
1. Mai 2018, Basel, Liestal, Bern
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Liebe Frauen, liebe solidarische Männer
Über 100 Jahre haben die Frauen in der Schweiz auf ihr Stimmrecht warten müssen. 60 Jahre auf die Mutterschaftsversicherung. Und seit 37 Jahren steht die Lohngleichheit klipp und klar in der Verfassung, und wir warten noch immer, dass sie Wirklichkeit wird.
Geht es aber nach der bürgerlichen Männermehrheit im Ständerat, sollen wir noch viel länger auf vernünftige Massnahmen für Lohngleichheit warten. Denn die Vorschläge, mit denen der Bundesrat die Lohndiskriminierung mildern will, passen den Herren Ständeräten nicht. Und ich sage bewusst mildern, denn spätestens in der Kommissionsberatung haben die Ständeräte die Massnahmen so abgeschwächt, dass wir bloss noch von einem ersten kleinen Schritt in die richtige Richtung sprechen können – keine Spur von Kontrollen und Sanktionen.
Das bedeutet, dass eine Frau noch immer selber klagen müsste, wenn sie weniger Lohn bekommt als ihr Kollege. Eine Lohnklage dauert Jahre, ist zermürbend, endet trotz Kündigungsschutz meistens mit dem Jobverlust und ist noch nicht einmal besonders erfolgversprechend.
Der Bund muss deshalb endlich Verantwortung übernehmen und das Gesetz dort umsetzen, wo die Arbeitgeber von allein nicht bereit dazu sind. Dafür braucht es Kontrollen und Sanktionen – wie dies bei jedem anderen Gesetz der Fall ist. Die Zeit ist überreif dafür.
Aber sogar der kleine erste Schritt, den der Bundesrat vorschlägt, geht den bürgerlichen Herren Ständeräten zu weit: Natürlich wollen sie etwas gegen die Lohndiskriminierung tun – sie sind ja keine Unmenschen – aber nicht jetzt, aber nicht so, aber nicht das. Und so schinden sie Zeit, indem sie den Vorschlag zurück an die Kommission schicken. Freiwillig sollen die Massnahmen sein, das ist ein starkes Stück! Ist die Promillegrenze für Verkehrsteilnehmende freiwillig? Und Tempolimit 120 auf der Autobahn? Zu sagen, dass sie nichts machen wollen, wäre ehrlicher gewesen.
Ein Sieg für die Arbeitgeberorganisationen, die genau dieses NICHTS MACHEN propagieren, ist die Rückweisung auf jeden Fall. Denn die Arbeitgeber, die dort das Sagen haben, sind im Grunde ihres Fühlens Patriarchen geblieben: Sie wollen weiter ihren persönlichen Managementstyle pflegen, wollen die Leistung ihrer Mitarbeitenden aus dem Bauch heraus beurteilen, wollen denjenigen mehr geben, die besser verhandeln oder ihnen halt einfach sympathischer sind. Sich nur ja nicht dreinreden lassen, heisst ihre Devise. Und die bürgerlichen Herren Ständeräte haben mit ihrer Rückweisung den Spagat versucht, die Arbeitgeber mit ihrer vorgestrigen Devise in Ruhe zu lassen, ohne dass ihre Wählerinnen dies merken sollten.
Aber wisst ihr was? Sie haben die Rechnung ohne uns gemacht! Wir sind die Wählerinnen und Wähler und wir lassen uns nicht länger hinhalten. Wir haben genug von Diskriminierung, Sexismus und Hinhaltetaktik, wenn es um Frauenrechte geht. Denn die Diskriminierung– die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern hat System. Und sie beginnt schon, bevor die Arbeitgeber ins Spiel kommen. Denn dieses System hat sich fest in den Köpfen eingenistet.
So bekommen schon Mädchen gemäss einer britischen Untersuchung 12 Prozent weniger Sackgeld als Buben. Buben verhandeln halt besser, fordern mehr… Ist das fair? Sackgeld hat nichts mit Leistung zu tun – und trotzdem gestehen Eltern Mädchen im Schnitt weniger zu, weil sie zurückhaltender sind, weil sie weniger fordern, weil sie Mädchen sind.
Als Berufsfrauen kommt diesen Mädchen dann die Biographie in die Quere: Sie wählen Berufe, die schlechter bezahlt werden – sie sind es sich ja gewohnt, sich mit weniger zufriedenzugeben. Sie gründen eine Familie, übernehmen die Hauptverantwortung dafür und müssen dem Kindsvater den Vortritt lassen bei der Karriere. Anstelle der bezahlten Arbeit kommt die unbezahlte. Und dann noch die gläserne Decke… Natürlich verdient es sich so weniger – Frausein ist ein Armutsrisiko, im Erwerbsleben, nach einer Scheidung, im Rentenalter. Auch da stecken viele Diskriminierungen dahinter: Bis Männer und Frauen gleich viel Zeit in Kinderbetreuung und Haushalt investieren, wird der erklärte Anteil des Lohnunterschieds nicht zurückgehen.
Aber wenn Arbeitgeberorganisationen und bürgerliche Politiker die Lohndiskriminierung einfach mit dem Hinweis auf Familienarbeit und unterschiedliche Berufserfahrung wegerklären, ist dies schlichtweg falsch. Denn schon Berufseinsteigerinnen bekommen sieben Prozent weniger Lohn als ihre gleichaltrigen Kollegen. Dieser Unterschied ist nicht durch objektive Faktoren erklärbar. Die Berufserfahrung hat damit überhaupt nichts zu tun! Der Lohnunterschied beim Berufseinstieg ist pure Frauendiskriminierung!
Niemand behauptet, dass Arbeitgeber bewusst diskriminieren. In den meisten Fällen wird dies nicht der Fall sein. Unzählige Studien belegen, dass das Geschlecht unseres Gegenübers einen Einfluss darauf hat, wie wir dieses Gegenüber einschätzen. Ob auf einem Aufsatz ein weiblicher oder ein männlicher Name steht, macht bis zu einer halben Noten Unterschied bei der Bewertung durch Professorinnen und Professoren aus.
Das ist eine Strafe fürs Frausein, ein Malus von einer halben Note bei gleicher Leistung. Der Patriarch in den Professorenköpfen hat ihn zu verantworten. Wie auch der Patriarch in den Chefköpfen den Frauenmalus von 7% beim Berufseinstieg. Und dieser Malus von 7% zieht sich durch die Gesamtwirtschaft.
Um diese Frauenstrafe auszumerzen, müssen wir hinschauen. Wir müssen kontrollieren, ob Löhne aufgrund von fairen Kriterien zustande kommen, oder ob ein Chef das diffuse Bauchgefühl hat, dass die Arbeit von Frauen weniger wert ist. Doch die Arbeitgeberorganisationen wollen nicht hinschauen. Sie haben sich mit den Patriarchen in ihren Köpfen wohlig eingerichtet und sind ganz zufrieden, wie es läuft. Sie müssen sich nicht rechtfertigen, sie müssen sich keine Gedanken zu ihren eigenen Vorurteilen machen, sie können weiter unbewusst und ungestraft diskriminieren. Und sie können weiter scheinheilig behaupten, dass bei ihnen alles in Ordnung ist.
Die Bundesverfassung verlangt klipp und klar, dass Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit gleiche Löhne bezahlt bekommen. Seit 37 Jahren. Und wir wollen nicht 100 Jahre darauf warten wie auf unser Stimmrecht. Und nicht 60 Jahre wie auf die Mutterschaftsversicherung. 37 Jahre sind genug: Wir wollen Lohngleichheit. Punkt. Schluss!
Der erste Schritt ist, die Arbeitgeber zum Hinschauen zu zwingen, wie dies der Bundesrat vorschlägt: Lohnanalysen in den Betrieben, damit die Unternehmen wissen, ob sie Frauen und Männer gleich viel bezahlen für gleichwertige Arbeit. Anständige Firmen werden korrigieren, wenn sie ein entdecken, dass ihre Löhne nicht fair sind. Und für alle anderen braucht es Kontrollen durch den Bund und Sanktionen, wenn sie das Gesetz verletzen – wie dies bei allen anderen Gesetzen auch der Fall ist!
Wir werden dem Parlament genau auf die Finger schauen, wie es mit unseren Rechten umgeht. Wir werden genau hinschauen, ob sie uns noch länger hinhalten wollen. Und wir sehen uns wieder am 22. September hier auf dem Bundesplatz. Mit einer breit abgestützten Demo setzen wir es ein deutliches Zeichen, damit es vorwärtsgeht. Wir werden zeigen, dass wir Frauen unseren Anteil an Macht und Geld beanspruchen. Fertig mit Aussitzen: Lohngleichheit. Punkt. Schluss!